Filmliebe: Die Before Trilogie

Eine gefühlte Ewigkeit wollte ich die Before-Trilogie (von mir nun kurzerhand so getauft) schon sehen. Aber dummerweise hatte unsere Videothek einzig das Mittelstück auf Lager. Nicht den ersten Film, nein auch nicht den aktuellsten. Den mittleren. Der Sinn dahinter? Fragt mich nicht. Aber nachdem ich Richard Linklater’s „Boyhood“ (der dürfte spätestens seit den Oscars einigen bekannt sein) geschaut habe und wirklich begeistert war, war für mich auch klar, dass ich jetzt nun doch mal wieder DVDs kaufen würde. Ausnahmsweise.

Die Rede ist natürlich von Before Sunrise, Before Sunset und Before Midnight.

Richard Linklater verfolgt bei diesen Filmen einen ähnlichen Ansatz wie bei „Boyhood“. Zwar wurden hier nicht 12 Jahre zu einem Film gebündelt, aber beginnend im Jahr 1995 traf sich das Team um Linklater, Ethan Hawke und Julie Delpy alle zehn Jahre zu einem neuen Streifen (weswegen die Chancen auch gut stehen, dass wir 2024 vielleicht auch nicht mehr von einer Trilogie sprechen werden).

Und auch ansonsten weißen diese Filme ein paar Parallelen zu „Boyhood“ auf. Für alle die dieses kleine Meisterwerk nicht gesehen haben:
Richard Linklater hat ein Faible dafür seine Charaktere über einen langen Zeitraum zu begleiten und wachsen zu lassen. Somit altern nicht nur die Schauspieler im Laufe der Filme, auch die erzählten Geschichten passen sich dem Alter und den damit einhergehenden Entwicklungen der Charaktere an.

Deutscher Trailer = Fehlanzeige….

Während wir im ersten Film erleben wie sich der Amerikaner Jesse und die Französin Céline als junge Studenten auf einer Bahnfahrt kennen lernen und spontan beschließen die letzte Nacht vor Jesse’s Rückflug nach Amerika gemeinsam in Wien zu verbringen, treffen sie sich neun Jahre später in Paris als erfolgreicher Autor und Umweltaktivistin wieder. Und weitere 10 Jahre später verbringen wir die letzte Nacht ihres Griechenlandurlaubs mit diesem besonderen Paar.

Céline: But then the morning comes, and we turn back into pumpkins, right?

Über die eigentlichen Geschichten möchte ich gar nicht allzu viel verraten. Ähnlich wie bei „Boyhood“ ist es schwierig zu beschreiben was die Faszination hinter diesen Filmen ausmacht. Interessante Charaktere? Definitiv. Gute Schauspieler? Oh ja (und warum bitteschön altert Ethan Hawke nicht?! Im Gegensatz zu ihm kommt Julie Delpy wirklich schlecht weg, während er sich über diesen doch immensen Zeitraum so gut wie gar nicht verändert… scheint die gleichen Gene wie mein Papa zu haben…). Witz und Charme? Klar.
Aber was einen daran fesselt? Ich kann es nicht beschreiben. Eigentlich sieht man jeweils über einen Zeitraum zwischen 80-100 Minuten nur das ganz normale Leben. Aber vielleicht ist es genau dieser Punkt, der den Zauber ausmacht:
Die Geschichten sind stets realistisch und aus dem Leben gegriffen. Egal wie romantisch der Ausgangspunkt dieser Trilogie war und auch wenn es im Grunde Liebesfilme sind; kitschig oder gar vorhersehbar wird es nie.

Auch hier = Fehlanzeige. Kein deutscher Trailer

Noch dazu merkt man den Filmen an, dass sie nie zu einem früheren Zeitpunkt gedreht hätten werden können.
„Before Midnight“ wäre beispielsweise niemals mit einem jungen Jesse oder einer jungen Céline möglich gewesen. Und ich wage sogar zu behaupten: eine solche Geschichte um die Probleme einer langen Beziehung und Elternschaft wäre dem jungen Linklater erst gar nicht in den Sinn gekommen.
Man munkelt es gäbe auch Bezüge aus Ethan Hawke’s (Scheidung während des zweiten Teils) und Julie Delpy’s Leben. Zumindest haben sie definitiv an den Fortsetzungen nicht nur als Schauspieler mitgewirkt und die Drehbücher wurden auch oftmals erst kurz vor Drehbeginn fertig oder noch umgeändert (mal eben am Abend vorher beim gemeinsamen Essen…).

Céline: Do I look any different?
[long pause]
Céline: I do?
Jesse: I’d have to see you naked.

Es ist sicherlich noch einmal um einiges faszinierender, wenn man vor einigen Jahren mit diesen Filmen angefangen hat. Als man noch nicht wusste, dass es mal mindestens drei werden oder es gar jeweils eine Fortsetzung geben würde und wenn man selbst „mit gewachsen“ ist. Aber auch wenn man sie jetzt und in kurzem Abstand ansieht muss man sich einfach in Jesse und Céline verlieben. In ihren Witz, in ihre Liebesgeschichte, in die Orte an denen sie spielen. In den Zauber der davon ausgeht, dass zum Teil in Echtzeit („Before Sunset“ dauert genau so lange wie Jesse vor seinem Abflug aus Paris Zeit mit Céline bleibt: 77 Minuten) oder mit wirklich langen Kamerafahrten (die längste Einstellung dauert 11 Minuten und die ganze Zeit begleitet man Jesse und Céline auf einem Spaziergang) gedreht wurde.

Ich persönlich muss sagen, dass der erste Teil leider auch der schwächste der Reihe ist. Er ist nicht ganz so witzig und charmant und, entschuldigt, er spielt nun mal dummerweise auch in Wien. Versteht mich nicht falsch: Wien ist eine tolle Stadt! Macht aber unglücklicherweise als Filmkulisse in diesem Fall nicht ganz so viel her wie später dann Paris und Griechenland.

Aber hier! Endlich: ein deutscher Trailer!

Man muss „Before Sunrise“ aber definitiv gesehen habe, ohne ihn machen die späteren Filme wenig Sinn und auch wegen der zahlreichen Bezüge (Was passierte nun in jener Nacht? Und warum hat Jesse einen Roman darüber geschrieben?) weniger Spaß. Er ist ein klein wenig langatmig, aber es lohnt sich. Denn spätestens nach den ersten fünf Minuten von „Before Sunset“ ist es hoffnungslos um einen geschehen: man will einfach immer wieder an den Geschichten von Jesse und Céline teilhaben und miterleben wohin sie das Leben getrieben hat.

Céline: I feel close to you.
Jesse: Yeah?
Céline: But sometimes, I don’t know? I feel like you’re breathing helium and I’m breathing oxygen.

Somit hoffe ich, dass Linklater irgendwann aus seiner Trilogie eine Tetralogie machen wird. 2024 wären Jesse’s und Céline’s Kinder mitten in der Pubertät oder kurz davor ein eigenes Leben zu führen. Und Jesse und Céline? Puh. Es wird spannend bleiben, wohin es die beiden verschlagen hat.

P.S.: Dies tut nicht wirklich etwas zur Sache, aber als Inspiration zum ersten Film „Before Sunrise“ diente Linklater ein ähnliches Erlebnis mit einer jungen Frau, mit der er auf der Durchreise von New York nach Austin einen Abend in Philadelphia verbrachte.
Erst 2010 erfuhr er, dass diese Frau bereits kurz vor der Premiere von „Before Sunrise“ bei einem Motorradunfall ums Leben kam.